Deutschland lässt sich für Patriot-Lieferungen großzügig entschädigen

Recherchen zeigen, dass die Lieferung der beiden kürzlich angekündigten MIM-104 Patriot-Feuereinheiten, deren Finanzierung Deutschland ursprünglich allein übernehmen wollte, nun größtenteils von anderen Ländern finanziert wird. Auch andere deutsche Zusagen unterliegen diesem Finanzierungsmodell.

8 Minuten Lesezeit
Start eines Patriot-Lenkflugkörpers während der Übung „Spartan Arrow“ auf Kreta (Griechenland) im Jahr 2022Bild: Bundeswehr/Lars Koch

Um die Ukraine gegen den andauernden Raketenterror des russischen Regimes zu rüsten, sagte die Bundesregierung Anfang August zu, kurzfristig zwei weitere MIM-104 Patriot-Feuereinheiten aus Beständen der Bundeswehr an die Ukraine zu liefern.

Während mit vier Startgeräten die ersten Komponenten bereits geliefert wurden, werden die restlichen Anteile in den kommenden Monaten noch vor dem Jahresende in der Ukraine eintreffen.

Verteidigungsminister Boris Pistorius zeigte sich damals stolz und kündigte an, dass die zugesagte Lieferung wieder einmal zeigt, dass Deutschland der mit Abstand stärkste Unterstützer der Ukraine im Bereich Luftverteidigung ist.

Was er und sein Ministerium bislang aber in einem gewissen Rahmen verschweigen, ist, dass Deutschland sich insbesondere die Patriot-Lieferungen, aber auch andere eigene Zusagen, besonders im Bereich der Luftverteidigung, großzügig zumindest in Teilen von anderen Ländern bezahlen lässt.

So beteiligen sich beispielsweise an der kürzlich angekündigten Lieferung der zwei Patriot-Feuereinheiten meines Wissens nach drei Länder an den Kosten der Lieferung und der Wiederbeschaffungen für die Bundeswehr, obwohl die Bundesregierung damals großspurig angekündigt hatte, die Kosten für zwei Feuereinheiten allein zu tragen.

Ukrainische Soldaten bei der Ausbildung am Patriot-Luftverteidigungssystem
Ukrainische Soldaten stehen während ihrer Ausbildung in Deutschland vor Patriot-Komponenten | Bild: Bundeswehr/Johannes Heyn

Norwegen trägt bereits 50 % der Kosten, bezahlt also eine der beiden Feuereinheiten vollständig aus eigener Tasche.

Ursprünglich hieß es von offizieller Stelle, Norwegen wolle zuzüglich der zwei MIM-104 Patriot-Feuereinheiten, welche Deutschland allein finanzieren wollte, eine dritte Feuereinheit für die Ukraine finanzieren. Nun erhält wohl Deutschland das Geld.

Eine Anfrage, ob Norwegen wie ursprünglich angekündigt dennoch eine weitere Feuereinheit für die Ukraine finanzieren werde, ließ das norwegische Verteidigungsministerium bis zur Veröffentlichung des Artikels unbeantwortet.

Aber auch ohne offizielle Antwort lässt sich wohl sagen, dass es nicht dazu kommen wird, da bis auf Deutschland kein anderes Land bereit war, weitere MIM-104 Patriot-Feuereinheiten aus eigenen Beständen an die Ukraine abzugeben.

Zusätzlich dazu co-finanziert Norwegen auch Lenkflugkörper für das Luftverteidigungssystem MIM-104 Patriot aus Beständen der Bundeswehr, deren Lieferung das deutsche Verteidigungsministerium Ende Juni 2025 ankündigte. Das bestätigte mir das norwegische Verteidigungsministerium auf Anfrage.

Beteiligung Dänemarks an der Patriot-Zusage
Bekanntgabe der Teilnahme Dänemarks über den WhatsApp-Kanal des deutschen Verteidigungsministeriums

Neben Norwegen werden sich auch Dänemark und Litauen an den Lieferungen der Feuereinheiten beteiligen. Dänemarks Beteiligung wurde nur beiläufig ohne Angabe von Details im WhatsApp-Kanal des deutschen Verteidigungsministeriums erwähnt.

Auf Anfrage wollte sich das dänische Verteidigungsministerium zu Details nicht äußern. Mir gegenüber gab man dazu nur bekannt, dass die Unterstützung der Ukraine bei der Verteidigung ihres Luftraums und ihrer Städte gegen die grausamen russischen Angriffe mit Raketen und Drohnen für Dänemark hohe Priorität hat.

Mehr Details dagegen haben wir bei der Unterstützung durch Litauen, dessen Beteiligung von deutscher Seite bislang vollkommen verschwiegen wurde.

Laut einer Publikation auf der Website des litauischen Verteidigungsministeriums und einer Publikation auf der Website des ukrainischen Verteidigungsministeriums wird Litauen im kommenden Jahr 30 Millionen Euro an Deutschland überweisen. Das entspricht laut offiziellen Hochrechnungen immerhin 15 % der insgesamt für 2025 durch Litauen geplanten militärischen Unterstützung der Ukraine.

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass der Großteil der „deutschen Zusage“ eigentlich von Norwegen, Dänemark und Litauen bezahlt wird, wobei natürlich auch die deutsche Beteiligung und der Wille, die Luftverteidigungssysteme aus eigenen Beständen abzugeben, nicht zu vernachlässigen sind.

Aber auch andere Zusagen werden bzw. wurden zumindest in Teilen durch andere Staaten finanziert. Größtenteils ohne öffentliche Bekanntgabe oder Anerkennung durch die deutsche Regierung.

So ist bislang kaum öffentlich bekannt, dass Dänemark unter anderem einen nicht näher bezifferten Teil der Schützenpanzer Marder 1A3 finanziert hat, welcher von der Bundesregierung im Rahmen der militärischen Unterstützung durch Deutschland an die Ukraine geliefert wurde.

Ebenfalls beteiligte sich Norwegen im vergangenen Jahr mit rund 86 Millionen Euro – entspricht mehr als 60 % der Gesamtkosten – an der Lieferung der fünften IRIS-T SLM-Feuereinheit durch Deutschland im Rahmen der „Immediate Action on Air Defence Initiative“ (heute Enduring Action on Air Defence), während auch in diesem Jahr zusätzlich zu den Patriot-Zusagen militärische Hilfe, welche durch die Bundesregierung zugesagt wurde, teilweise von Norwegen finanziert wird.

IRIS-T SLM 540th Anti-Aircraft Missile Brigade
Ein IRIS-T SLM-Startgerät im Dienst in der Ukraine | Bild: 540th Anti-Aircraft Missile Brigade

So co-finanziert Norwegen eigenen Angaben zufolge ebenfalls einen zwischen der Bundesregierung und HENSOLDT geschlossenen Vertrag, der die Lieferung von TRML-4D-Luftraumüberwachungsradaren beinhaltet.

Es ist derzeit jedoch unklar, ob es sich dabei um Radare handelt, die bereits im Rahmen der deutschen IRIS-T SLM-Lieferungen zugesagt wurden, oder um Radare, deren Lieferung vor einigen Wochen in einer Pressemitteilung des deutschen Herstellers angekündigt wurde.

Im letzteren Fall ist zu beachten, dass bislang nicht offiziell bestätigt wurde, dass dieser Vertrag von der Bundesregierung finanziert wird, auch wenn dies wahrscheinlich ist.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass seit Februar 2022 insbesondere aus Norwegen, aber auch aus anderen Ländern Mittel in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro nach Deutschland geflossen sind (oder noch fließen werden), mit denen militärische Hilfe für die Ukraine bezahlt wurde, welche die Bundesregierung ursprünglich als rein deutsche Unterstützung angekündigt hatte und diese teilweise immer noch so behandelt.

Während das Wissen, dass sich die Bundesregierung von anderen Ländern teilweise die eigene Unterstützung bezahlen lässt, schon einen faden Beigeschmack hinterlässt, wirft dieser Umstand auch noch einige Fragen auf.

Warum finanzieren andere Länder die militärische Unterstützung Deutschlands? Was würde passieren, wenn dies in Zukunft ausbleiben würde und unter Berücksichtigung, dass sich die zugesagten Mittel aus dem Ausland inzwischen auf mindestens eine halbe Milliarde Euro belaufen dürften: Was hätte man damit alles für die Ukraine zusätzlich finanzieren können?

Schließlich darf man nicht vergessen, dass die Mittel eben nicht zusätzlich bereitgestellt werden. Es ist eine einfache Rechnung. Was an die deutsche Regierung für bereits zugesagte Unterstützung gezahlt wird, kann nicht in die Bereitstellung zusätzlicher Rüstungsgüter fließen, welche die Ukraine dringend benötigt.

Hinweis

Militärische Unterstützung, welche gemeinsam mit anderen Ländern als gemeinsame Unterstützung angekündigt wurde, habe ich nicht in den Artikel eingearbeitet.

Dazu würden beispielsweise mehrere hundert Millionen Euro aus Dänemark, Norwegen und den Niederlanden für die Lieferung von Patriot-Lenkflugkörpern aus Beständen der Bundeswehr (2024), eine norwegische und dänische Beteiligung in gleichen Teilen an der Lieferung von Zuzana 2-Haubitzen (2022) und einiges mehr zählen.

Auch Rückzahlungen über die EPF (European Peace Facility) sind hier nicht eingearbeitet, da die Bundesregierung, soweit ich weiß, die Rückflüsse wieder in die militärische Unterstützung der Ukraine investiert.


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