Erfolgreich, aber umstritten – Das deutsche Ringtausch-Programm

13 Minuten Lesezeit
Ein Schützenpanzer Marder 1A3 im Einsatz bei der 25th Airborne BrigadeBild: 25th Airborne Brigade

In den vergangenen Jahren hat sich die deutsche Unterstützung der Ukraine mit militärischer Ausrüstung zunehmend diversifiziert.

Heute unterstützt Deutschland die Ukraine nicht nur bilateral wie die meisten anderen Länder und beteiligt sich an multilateralen Initiativen wie der tschechischen Munitionsinitiative (größtes Geberland), sondern hebt sich auch mit seinem eigenen, weniger bekannten Ringtausch-Programm deutlich von anderen Ländern ab.

Im Prinzip handelt es sich um ein leicht zu verstehendes Konzept.

Statt direkter Lieferungen Deutschlands an die Ukraine liefert Deutschland relativ modernes militärisches Gerät wie Lastwagen, Kampfpanzer oder Ähnliches an ein Drittland, das im Gegenzug älteres, meist sowjetisches Gerät an die Ukraine liefert.

Der Vorteil ist, dass das ukrainische Militär vergleichsweise schnell mit Material versorgt wird, mit dem es bereits vertraut ist und das daher relativ schnell im Kampf gegen den russischen Aggressor eingesetzt werden kann.

Mit anderen Worten: Lange Produktionszeiten oder potenziell zeitaufwendige Überholungen oder Instandsetzungen durch die Industrie und die anschließende wochenlange Ausbildung der ukrainischen Soldaten werden so in der Regel vermieden.

Grundlegendes Verständnis des Ringtauschprogramms
Grundlegendes Verständnis des Ringtauschprogramms

Natürlich hat das Ringtausch-Programm auch Vorteile für Deutschland und die beteiligten Drittländer. Die Drittländer können ihr älteres militärisches Material ohne direkte Kosten durch relativ modernes Material aus deutscher Produktion ersetzen.

Für die deutsche Industrie bedeutet das vor allem eines: Umsatz. Zum einen gibt es einen direkten Auftrag der deutschen Regierung, zum anderen werden die beteiligten Drittstaaten für einen mehr oder weniger langen Zeitraum an die deutsche Rüstungsindustrie gebunden.

Ein einfaches, aber unpopuläres Konzept

Doch auch dieses Konzept hat seine Schwächen und wird von vielen Menschen, vorwiegend in der Ukraine, nicht so hoch geschätzt.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, sagte im Juli 2023 bei Zeitenwende on tour in Berlin, dass es im Jahr 2022 vielleicht zwei sehr unliebsame Begriffe für ihn gebe und einer davon sei „Ringtausch“.

Das große Problem dabei ist, dass die meisten Ukrainer oder Unterstützer der Ukraine der Meinung sind, dass die AFU die modernen Systeme aus deutscher Produktion wie den Kampfpanzer Leopard 2 oder den Schützenpanzer Marder sehr gut für sich hätte nutzen können, anstatt mit älteren Systemen aus sowjetischer Produktion beliefert zu werden.

Natürlich kann ich diesen Gedanken nachvollziehen und ich möchte nicht behaupten, dass diese Leute im Unrecht sind. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Ringtausch-Abkommen größtenteils zu einer Zeit abgeschlossen wurden, als Deutschland zum Beispiel keine bilateralen Lieferungen von Kampfpanzern und Schützenpanzern an die Ukraine tätigte.

Das bringt uns natürlich wieder zu der Debatte zurück, ob es nicht schon 2022 bilaterale Lieferungen von Kampfpanzern und Schützenpanzern hätte geben sollen, aber dazu ist ja bereits alles gesagt worden und ich bezweifle, dass viele Leute eine andere Meinung haben als diese: Ja, es hätte sie geben sollen.

Gleichwohl bin ich nach wie vor der Meinung, dass das Ringtausch-Programm unter den damaligen Umständen der beste Weg war, der Ukraine relativ schnell diverse Rüstungsgüter zu liefern und andere Länder zu Lieferungen zu bewegen.

Die Ringtausch-Abkommen im Detail

Die Liste der Länder, die über das deutsche Ringtausch-Programm bereits Ausrüstung an die Ukraine geliefert haben, wächst seit 2022 kontinuierlich.

Inzwischen sind es sechs Länder: Kroatien, Tschechien, Griechenland, Portugal, die Slowakei und Slowenien. Werfen wir einen genaueren Blick auf alle bekannten Abkommen.

Kroatien

Das erste Ringtausch-Abkommen, das wir hier behandeln, ist auch das Letzte, das abgeschlossen wurde. Im Oktober 2024, also vor knapp drei Monaten, vereinbarten Deutschland und Kroatien die Lieferung von 30 Kampfpanzern M-84A4 sowie 30 Schützenpanzern M-80, jeweils mit Munition und Ersatzteilen aus Beständen der kroatischen Armee, an die Ukraine.

Kampfpanzer M-84
Ein kroatischer Kampfpanzer M-84 während einer Übung | Bild: MORH/ T. B randt

Im Gegenzug erhielt Kroatien von Deutschland rund 144 Millionen Euro, die es für die Beschaffung von bis zu 50 Kampfpanzern des Typs Leopard 2A8 aus deutscher Produktion verwenden will. Eine ziemliche Aufrüstung!

Die Auslieferung der 60 Fahrzeuge an die Ukraine erfolgte innerhalb weniger Wochen bis Ende 2024, womit das Abkommen innerhalb kürzester Zeit unterzeichnet und abgeschlossen wurde. Ein perfektes Beispiel dafür, wie der Ringtausch-Prozess funktionieren sollte.

Tschechien

Die deutsche Regierung hat bereits zwei Ringtausch-Abkommen mit einem Nachbarland vereinbart, welches mittlerweile besonders für die eigene Munitionsinitiative bekannt ist.

Das erste Abkommen über einen Ringtausch zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik wurde bereits im Mai 2022 bekannt gegeben. Die deutsche Beteiligung bestand aus 14 Kampfpanzern Leopard 2A4, Ersatzteilen und Munition sowie einem Bergepanzer 3, während die Tschechische Republik im Gegenzug 20 Kampfpanzer T-72M1 an die Ukraine liefern sollte.

Allerdings hatte die Tschechische Republik bereits Monate vor der öffentlichen Bekanntgabe des Ringtausch-Abkommens rund 40 Kampfpanzer des Typs T-72M1 an die Ukraine geliefert, sodass es durchaus möglich ist, dass diese Lieferung nicht direkt mit einer deutschen Gegenleistung verbunden war, auch wenn tschechische Offizielle dies natürlich gerne angenommen haben.

Etwa zwei Jahre später machte die tschechische Regierung ein zweites Geschäft mit Deutschland publik. Die Beteiligung Deutschlands an diesem Geschäft war wiederum dieselbe, während über die Lieferungen der Tschechischen Republik an die Ukraine derzeit nichts bekannt ist.

Obwohl es natürlich gut möglich ist, dass sie erneut für die Lieferung von 20 T-72M1 Kampfpanzern entschädigt werden.

Griechenland

Als Nächstes wäre Griechenland an der Reihe, dessen Ringtausch-Abkommen im September 2022 öffentlich gemacht wurde. Griechenland hat insgesamt 40 Schützenpanzer Marder 1A3 sowie Ersatzteile und Munition von Rheinmetall erhalten und lieferte im Gegenzug ab Oktober 2022 die gleiche Anzahl von BMP-1A1-Ost Schützenpanzern an die Ukraine.

Marder 1A3-Überholung bei Rheinmetall
Schützenpanzer Marder 1A3 werden in einem Rheinmetall-Werk aufgearbeitet | Bild: Jan-Phillipp Weisswange

Allerdings haben sich sowohl die deutschen Lieferungen an Griechenland als auch die griechischen Lieferungen an die Ukraine ziemlich in die Länge gezogen, was sicherlich auch damit zu tun hatte, dass Rheinmetall seit Anfang 2023 praktisch durchgehend mit der Überholung und Auslieferung von Schützenpanzern vom Typ Marder 1A3 an die Ukraine beschäftigt war und keine freien Kapazitäten vorhanden waren.

Portugal

Kommen wir zu einem Abkommen, das offiziell nicht als Ringtausch eingestuft wird. Ich kann es aber nicht anders beschreiben, also zähle ich es zumindest als ein solches.

Wie inzwischen bekannt sein dürfte, gab es in den Wochen vor und nach der Ankündigung, dass die Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 aus deutscher Produktion an die Ukraine genehmigt werden würde, unzählige Diskussionen.

Eines der Länder, in denen eine gewisse Unsicherheit herrschte, war Portugal. Zu Beginn wurde immer wieder behauptet, dass die portugiesischen Leopard 2A6-Kampfpanzer nicht in gutem Zustand seien und ein Ersatz gefunden werden müsse, bevor eine Lieferung an die Ukraine erfolgen könne.

Letztendlich stimmte die portugiesische Regierung jedoch der Lieferung von 3 Leopard 2A6 Kampfpanzern zu. Allerdings hatte die Genehmigung offenbar einen Haken, der mehr als ein halbes Jahr lang nicht bekannt war.

Laut Dokumenten der portugiesischen Regierung, die erst im Dezember 2023 veröffentlicht wurden, hatte das portugiesische Verteidigungsministerium mehrere Monate lang mit dem deutschen Verteidigungsministerium verhandelt.

Schließlich wurde vereinbart, dass Deutschland die Instandsetzung der verbleibenden portugiesischen Leopard 2A6-Flotte im aktiven Dienst (14 Kampfpanzer) mit 20 Millionen Euro als Ausgleich für die Lieferung der drei Leopard 2A6-Kampfpanzern an die Ukraine finanzieren würde.

Slowakei

Genau wie die Tschechische Republik hat auch die Slowakei zwei Ringtausch-Abkommen mit Deutschland geschlossen. Aus welchen Gründen auch immer wird das erste Abkommen jedoch nicht mehr offiziell als Ringtausch bezeichnet, obwohl es für 2022 als solcher angekündigt wurde.

Kurz nach Beginn der russischen Invasion der Ukraine lieferte die Slowakei eine S-300PMU Batterie an die Ukraine. Dies war eine wichtige Unterstützung für die ukrainischen Luftverteidigungskräfte, die auch heute noch unter enormem Druck stehen.

Kurz darauf stationierte unter anderem Deutschland für mehrere Monate eine Heereskompanie und zwei MIM-104 Patriot Feuereinheiten in der Slowakei, die später wieder abgezogen wurden.

Im Herbst 2023 lieferte Deutschland 2 Luftverteidigungssysteme MANTIS und 5 Luftraumüberwachungsradare LÜR kostenlos an die Slowakei, um den Ringtausch endgültig abzuschließen.

Das zweite Ringtausch-Abkommen, das im August 2022 bekannt wurde, umfasste die Lieferung von 30 Schützenpanzern des Typs BVP-1 an die Ukraine im Austausch gegen 15 Kampfpanzer Leopard 2A4 samt Ersatzteilen und Munition. Sowohl die Lieferungen an die Ukraine als auch die Lieferungen an die Slowakei sind seit Langem abgeschlossen.


Slowenien

Zu guter Letzt: Slowenien! Mitte September 2022 vereinbarten Deutschland und Slowenien die Lieferung von 28 hochmodernisierten Kampfpanzern T-55, sogenannten M-55S, aus slowenischen Beständen an die Ukraine.

Im Gegenzug sollte Deutschland 40 HX 8×8 Lkw sowie 35 Wechselladerpritschen und 5 Wassertanks an Slowenien liefern. Nach Angaben des deutschen Verteidigungsministeriums haben die slowenischen Behörden dieses Material ausdrücklich angefordert.

Auch diese Lieferungen sind längst abgeschlossen.

In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass 100 Schützenpanzer, mindestens 81 Kampfpanzer und ein einziges Luftverteidigungssystem über das deutsche Ringtausch-Programm oder in Verbindung damit an die Ukraine geliefert wurden. Ich habe dies unten auch in einer Tabelle zusammengefasst, falls du daran interessiert bist.

Deutschlands Beitrag an das DrittlandDer Beitrag des Drittlandes an die Ukraine
144 Millionen Euro (für die Beschaffung von Leopard 2A8 Kampfpanzern)Kroatien: 30 Kampfpanzer M-84A4, 30 Schützenpanzer M-80, jeweils mit Munition und Ersatzteilen
14 Kampfpanzer Leopard 2A4 samt Ersatzteilen und Munition, 1 Bergepanzer 3Tschechien: 20 Kampfpanzer T-72M1
14 Kampfpanzer Leopard 2A4 samt Ersatzteilen und Munition, 1 Bergepanzer 3Tschechien: ?
40 Schützenpanzer Marder 1A3 mit Ersatzteilen und MunitionGriechenland: 40 Schützenpanzer BMP-1A1-Ost
20 Millionen Euro (für die Instandhaltung der aktiven portugiesischen Leopard 2A6 Kampfpanzerflotte)Portugal: 3 Kampfpanzer Leopard 2A6
15 Kampfpanzer Leopard 2A4 mit Ersatzteilen und MunitionSlowakei: 30 Schützenpanzer BVP-1
2 MANTIS-Luftverteidigungssysteme, 5 LÜR-LuftüberwachungsradareSlowakei: 1 S-300 Luftverteidigungssystem
40 HX 8×8 Lkw zusammen mit 35 Wechselladerpritschen und 5 WassertanksSlowenien: 28 Kampfpanzer M-55S und Ersatzteile
Eine stets aktuelle Übersicht über das Ringtausch-Programm findest du hier

Für mich persönlich sprechen die Zahlen für sich. Meiner Meinung nach ist das Ringtausch-Programm nicht perfekt und man kann immer noch darüber diskutieren, aber ich glaube nicht, dass es ein Fehler war.

Es ermöglichte die schnelle Lieferung einer Reihe von militärischer Ausrüstung, die die Ukraine sonst wahrscheinlich nie erhalten hätte.


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Änderungen

  • 27. Januar 2025 — Nach über einem Jahr und mehreren zusätzlich abgeschlossenen Ringtausch-Abkommen habe ich den gesamten Artikel neu geschrieben und aktualisiert
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