Die russischen Angriffe der vergangenen Nächte auf ukrainisches Staatsgebiet zeigen einmal mehr, dass es nicht ausreicht, die ukrainischen Luftstreitkräfte mit modernen Luftverteidigungssystemen auszustatten, um anfliegende Ziele effektiv abzuwehren.
Zwar ist die Abfangquote bei Drohnen und Marschflugkörpern unverändert relativ hoch, allerdings zeigen die von den ukrainischen Luftstreitkräften veröffentlichten Daten, dass die Ukraine weiterhin große Probleme damit hat, ballistische Raketen abzufangen.
Auch aus diesem Grund muss die ukrainische Armee zusätzlich in die Lage versetzt werden, Abschussrampen, Produktionsstätten und andere militärische Ziele präventiv zu zerstören.
Zu diesem Zweck kündigte die neue Bundesregierung Ende Mai an, weitreichende Waffensysteme aus ukrainischer Produktion zu finanzieren.
Um welche Modelle es sich genau handelt, wurde zumindest offiziell nicht bekannt gegeben. Einzig allein, dass es sich teilweise um weitreichende Drohnensysteme handeln soll, gab Generalmajor Christian Freuding Mitte Juli bekannt.
Laut Recherchen der WELT soll es sich dabei um mehr als 500 Drohnen des Typs AN-196 Liutyi handeln, welche den russischen Invasoren bereits seit geraumer Zeit einige Kopfschmerzen bereiten. Geschätzte Kosten: etwa 100 Millionen Euro. Doch auch andere Waffensysteme aus ukrainischer Produktion soll die Bundesregierung inzwischen im Geheimen finanzieren.
Eines bleibt bislang jedoch außen vor: der Marschflugkörper Taurus KEPD-350. Während der damalige Oppositionspolitiker Friedrich Merz diesen in seiner Ukraine-Politik zu einem der wichtigsten Themen machte und zwischenzeitlich sogar ein Ultimatum an Russlands Machthaber Putin aussprach, versucht er, seitdem er an der Macht ist, das Thema zu begraben.
Ob er das Thema nur zu Wahlkampfzwecken genutzt hat, falsch informiert war oder aktuell doch eine Lieferung im Geheimen vorbereitet wird, ist unklar. Tatsache ist, dass es inzwischen sehr still um dieses Thema geworden ist, obwohl die Ukraine weiterhin von einer Lieferung profitieren würde.
Zwar hat eine Taurus-Lieferung in den vergangenen Monaten immer mehr an Bedeutung verloren, allerdings gibt es für den Taurus beispielsweise dank seiner Reichweite und Flugeigenschaften, sowie seines bunkerbrechenden Gefechtskopfes weiterhin wichtige Hochwertziele, für deren Zerstörung die ukrainische Armee kaum bis keine anderen Waffensysteme zur Verfügung hat.
Angesichts dessen scheint man in der Ukraine weiterhin auf eine Taurus-Lieferung zu hoffen. So gab die ukrainische Regierung seit der Amtsübernahme von Friedrich Merz wiederholt bekannt, dass man mit deutschen Regierungsmitgliedern über eine mögliche Lieferung des Marschflugkörpers in Gesprächen sei.
So auch zuletzt am 19. August, als sich der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, Thomas Röwekamp, in der Ukraine mit dem Vorsitzenden des ukrainischen Parlamentes, Ruslan Stefantschuk, traf.
Offiziellen ukrainischen Angaben zufolge besprachen beide die zukünftige militärische Unterstützung der Ukraine durch Deutschland. Insbesondere sei man dabei auf die Finanzierung von Drohnen aus ukrainischer Produktion, die Lieferung von zusätzlichen Luftverteidigungssystemen, Deutschlands Beitrag zur Beschaffung von US-Waffen über den PURL-Mechanismus, aber auch auf die Lieferung von Taurus KEPD-350 eingegangen.
Laut Stefantschuk sei die Lieferung der Marschflugkörper für die Abschreckung des Angreifers entscheidend. Und was sagt die deutsche Regierung zu einer möglichen Lieferung?
Als Reaktion auf die Frage eines Journalisten, ob eine Taurus-Lieferung oder die Bereitstellung anderer Waffensysteme, welche bislang nicht geliefert wurden, Teil möglicher Sicherheitsgarantien für die Ukraine sein könnten, gab der erste stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer auf der Regierungspressekonferenz am Mittwoch bekannt, dass ihm solche Überlegungen nicht bekannt seien.
Ob die ukrainischen Streitkräfte also eines Tages doch noch in den Besitz des lang erbetenen Marschflugkörpers kommen, ist weiterhin offen.
Klar ist nur, dass man aufseiten der Ukraine weiterhin auf eine Taurus-Lieferung hofft und darüber hinter verschlossenen Türen noch immer Gespräche geführt werden.
Abschließend möchte ich mich noch bei John Felix bedanken, dessen Hinweis auf das Treffen zwischen Röwekamp und Stefantschuk mich dazu veranlasst hat, diesen Artikel zu schreiben.
Wenn dir dieser Beitrag gefallen hat, folge mir doch auf X, Bluesky oder Telegram. Wenn du magst, kannst du mir auch ein Trinkgeld über Ko-fi dalassen.