Neue Details: Spezialisten der Luftwaffe reparieren ukrainisches Patriot-Radar

Wahrscheinlich über viele Monate hinweg haben Spezialisten der Luftwaffe an der Reparatur eines ukrainischen Patriot-Radars gesessen. Darüber hat Generalmajor Maik Keller, stellvertretender Kommandeur der NSATU, in zwei Interviews berichtet.

7 Minuten Lesezeit
German Luftwaffe Patriot radar
Ein Patriot-Radar der Bundeswehr im Rahmen der Übung „Rapid Arrow“ im Jahr 2008Bild: Bundeswehr/Peter Müller

Eine Geschichte, die vor einigen Tagen für großes Aufsehen sorgte, zeigt, dass hinter den Kulissen, fernab der Öffentlichkeit, viel mehr getan wird, um die Ukraine zu unterstützen, als vielen Menschen bewusst ist.

Spezialisten der deutschen Luftwaffe sollen laut Generalmajor Maik Keller, dem stellvertretenden Kommandeur der NSATU (NATO Security Assistance and Training for Ukraine), ein schwerbeschädigtes ukrainisches Patriot-Radar repariert haben, welches von der Industrie bereits abgeschrieben war.

Viele Einzelheiten sind nicht bekannt, aber da kürzlich zumindest einige Details nachträglich veröffentlicht wurden und ein enorm großes Interesse an der Geschichte besteht – allein mein Tweet dazu hat mehr als 1.100 Retweets und 7.800 Likes erreicht – habe ich mich dazu entschlossen, noch einmal einen detaillierteren Artikel zu verfassen.

Vorab möchte ich noch anmerken, dass ich selbstverständlich auch bei der Luftwaffe angefragt habe, wo man mir zwar mitteilte, dass man mein Engagement für eine sachgerechte und fundierte Berichterstattung zu schätzen wisse, aber aus Gründen der militärischen Sicherheit sich nicht weiter äußern wolle.

Gehen wir nun ein paar Monate in der Zeit zurück und schauen wir uns genauer an, was vorgefallen ist.

Während Generalmajor Maik Keller in einem am 6. August veröffentlichten Interview mit der FAZ bekanntgab, dass eine ukrainische Radareinheit des Luftverteidigungssystems MIM-104 Patriot vor ein paar Monaten einen schweren Treffer erlitt, konkretisierte er dies in einem Auftritt bei Nachgefragt, welcher zwei Tage später ausgestrahlt wurde.

So soll es russischen Streitkräften bereits Ende 2024 gelungen sein, einen Volltreffer auf ein ukrainisches Patriot-Radar zu landen, welches Teil einer von Deutschland gelieferten Feuereinheit ist.

Dies ist besonders „interessant“, weil es einerseits nachweist, dass dieser Fall doch mehr als nur „ein paar Monate“ zurückliegt und andererseits, dass es wahrscheinlich ist, dass nur schwer zu ersetzendes Personal schwer verwundet, möglicherweise sogar getötet wurde.

Leider konnte ich selbst nach umfangreichen Recherchen diesen Volltreffer nicht mit einem öffentlich bekannten russischen Angriff wie dem in der Nähe von Dnipro im Oktober 2024 in Verbindung bringen.

Visueller Beweis für einen russischen Angriff auf ein ukrainisches Patriot-Radar im Oktober 2024

Allerdings hört man seit einiger Zeit hinter verschlossenen Türen immer wieder, dass Patriot-Feuereinheiten unter anderem in Kyjiw gezielt unter Beschuss genommen wurden. An welchen Gerüchten etwas dran ist, lässt sich natürlich oft nicht zweifelsfrei nachweisen.

Nach dem Volltreffer wurde das schwerbeschädigte Radar nach Deutschland gebracht, damit der Schaden durch Fachpersonal der Industrie begutachtet werden konnte.

Für die ukrainischen Streitkräfte bedeutete dies, dass eine der drei bisher von Deutschland gelieferten Patriot-Feuereinheiten zunächst außer Betrieb war und vorerst nicht eingesetzt werden konnte.

Meines Wissens nach können verschiedene Radarsysteme mit etwas Zeit und technischem Aufwand Zieldaten an die Feuerleiteinheit weiterleiten, aber solche Anpassungen sind nicht nur zeitaufwändig, sondern erfordern auch entsprechende Ressourcen und Know-how.

Und selbst wenn etwa ein TRML-4D, von denen die Bundesregierung bisher 16 Stück als eigenständige Radarsysteme an die Ukraine geliefert hat, in Zukunft Zieldaten an die Patriot-Feuerleiteinheit liefern würde, wäre man dennoch durch die Leistungsfähigkeit des Radars eingeschränkt.

So wäre man meines Wissens nach zwar nach einer gewissen Zeit in der Lage, die Feuereinheit erneut in Betrieb zu nehmen, allerdings wäre es künftig weitestgehend unmöglich, die meisten ballistischen Raketen abzufangen. Eine Aufgabe, für die das Luftverteidigungssystem MIM-104 Patriot in den modernsten Konfigurationen ansonsten die beste Wahl ist.

Patriot Startgerät der Bundeswehr
Start eines Patriot-Lenkflugkörpers während der Übung Spartan Arrow auf Kreta (Griechenland) im Jahr 2022 | Bild: Bundeswehr/Lars Koch

Ob man diesen Schritt tatsächlich gegangen ist, oder ob die Patriot-Feuereinheit über viele Monate hinweg in der Ukraine zwischengelagert wurde, ist Gegenstand von Spekulationen. Worüber wir nicht spekulieren müssen, ist, was nach dem Transport der Radareinheit in Deutschland passiert ist.

Experten des US-Herstellers RTX Corporation beurteilten die Lage und befanden, dass die Radareinheit nicht mehr instandsetzbar wäre, weil der Schaden zu groß war.

Es war die Nachricht, die niemand hören wollte. Schließlich würde es Jahre dauern, bis man ohne Prioritätsstatus beim Hersteller eine neu bestellte und frisch produzierte Radareinheit als Ersatz bekommen würde.

Aus diesem Grund wollte man sich mit dem Befund der Industrie bei der NSATU (NATO Security Assistance and Training for Ukraine) nicht zufrieden geben. Nach Rücksprache mit allen Beteiligten wollte man es bei der deutschen Luftwaffe einfach selbst versuchen.

Spezialisten der Luftwaffe, welche sich intensiv mit dem Thema Radarinstandsetzungen beschäftigen, nahmen sich der Aufgabe an.

Laut Generalmajor Keller investierten sie Unmengen an Zeit in das Projekt und arbeiteten von Montag bis Samstag 16 Stunden pro Tag, höchstwahrscheinlich für viele Wochen und Monate am Stück.

Dabei mussten sie sich laut Keller sogar eigenes Werkzeug anfertigen, um die Diagnostik und Reparatur durchführen zu können. Auch ohne sämtliche Einzelheiten zu kennen, kann gesagt werden, dass die Experten wohl eine technische Meisterleistung vollbracht haben.

Ukrainische Soldaten arbeiten an einer der von Deutschland gelieferten Patriot-Feuereinheiten in der Ukraine
Ukrainische Soldaten arbeiten an einer der von Deutschland gelieferten Patriot-Feuereinheiten in der Ukraine | Bild: Air Force Command

Schließlich schafften sie das, was der Hersteller noch für unmöglich gehalten hatte. Im Juli, mehr als sieben Monate nachdem die Radareinheit durch einen Volltreffer schwerbeschädigt worden war, wurde sie an die Ukraine zurückgeliefert.

Nur einige Tage später folgte die Rückmeldung aus der Ukraine: Alles ist in Ordnung. Man habe bereits eine erste russische Rakete abfangen können, welche mit diesem Radar aufgeklärt wurde.

Nicht nur bei der deutschen Luftwaffe dürfte dies für eine große Erleichterung und vielleicht sogar etwas zeitlich begrenzte „Partystimmung“ gesorgt haben.

Diese Geschichte bietet einen seltenen Einblick in das, was oft hinter den Kulissen vor sich geht. Sie bietet einen Einblick in die wohl beträchtliche Brillanz, Erfahrung und Kompetenz, welche einige Experten in der Luftwaffe mitbringen und dient als Erinnerung daran, wie wichtig die internationale Zusammenarbeit bei der Unterstützung der Ukraine ist.


Wenn dir dieser Beitrag gefallen hat, folge mir doch auf X, Bluesky oder Telegram. Wenn du magst, kannst du mir auch ein Trinkgeld über Ko-fi dalassen.

Diesen Artikel teilen
2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert