Bei der Lieferung von Patriot-Feuereinheiten und zugehöriger Ausrüstung hat kein Land die Ukraine so stark unterstützt wie Deutschland. Wenn wir Munitionslieferungen ausklammern, stehen sogar die USA hinten an.
Bislang hat Deutschland drei vollständige Feuereinheiten sowie vier zusätzliche Startgeräte und Ersatzteile gesichert an die ukrainische Armee geliefert, während zwei zusätzliche Startgeräte noch in Kürze folgen sollen. Eine bereits erfolgte Lieferung eines zusätzlichen Radargeräts steht seit längerer Zeit im Raum, wurde bisher aber nie offiziell bestätigt.
Trotz der bereits umfangreichen Lieferungen steht nun möglicherweise eine weitere Abgabe aus Bundeswehrbeständen bevor.
So berichtet die New York Times mit Verweis auf vier ehemalige und derzeitige US-Beamte, dass nicht nur eine der außer Dienst gestellten israelischen Patriot-Feuereinheiten an die Ukraine geliefert wird, sondern auch, dass westliche Verbündete die Möglichkeit diskutieren, eine zusätzliche Feuereinheit aus Beständen der deutschen oder griechischen Armee zu liefern.
Warum ausgerechnet Griechenland, das als NATO-Mitglied der Ukraine bislang kaum Unterstützung ohne Gegenleistungen gewährt hat, für diese Aufgabe in Betracht gezogen wird, ist nur schwer zu erklären.
Besonders weil sogar andere Länder wie Polen oder Schweden, welche die Ukraine mit weitaus mehr militärischer Ausrüstung unterstützt haben, Lieferungen von Patriot-Feuereinheiten oder sogar einzelnen Komponenten bislang kategorisch ablehnen.

Die Wahrscheinlichkeit einer griechischen Lieferung geht daher gegen null, auch weil ein anonymer griechischer Regierungsbeamte bereits dementiert hat, dass Griechenland unter Umständen eine Patriot-Feuereinheit an die Ukraine liefern würde.
Es bleibt also noch die Bundeswehr und da gibt es zwei Perspektiven, welche man in Betracht ziehen sollte.
Einerseits wurde vom Verteidigungsministerium wiederholt erläutert, dass man bereits umfangreiche und sehr schmerzhafte Abgaben aus Beständen der Bundeswehr durchgeführt hat und bislang nicht eine der insgesamt acht im vergangenen Jahr bestellten Feuereinheiten als Ersatz bei der Luftwaffe eingetroffen ist. Dadurch gibt es im Prinzip so gut wie keinen Spielraum mehr.
Andererseits sollte man hier zwei Faktoren nicht außer Acht lassen, welche meiner Meinung nach auch für eine Lieferung sprechen könnten.
Ersatz ist bereits bestellt
Anders als bei vielen anderen Abgaben aus Beständen der Bundeswehr wurde in diesem Fall bereits frühzeitig für Ersatz gesorgt. Bereits im vergangenen Jahr bestellte das Verteidigungsministerium für die Luftwaffe zwei Lose von je vier Feuereinheiten im Gesamtwert von über 2,5 Milliarden Euro – drei als Ersatz für die bis dahin an die Ukraine abgegebenen, fünf als Fähigkeitsaufwuchs.
hartpunkt zufolge soll noch in diesem Jahr eine erste Lieferung bei der Bundeswehr eintreffen. Beste Voraussetzungen also für eine weitere, nichtsdestotrotz schmerzhafte Abgabe an die Ukraine.
Die IAAD-Initiative
Auch sollte man die „Immediate Action on Air Defense“ (IAAD) Initiative nicht außer Acht lassen. Bei der IAAD-Initiative handelt es sich um eine vom Außenministerium und Verteidigungsministerium gemeinsam organisierte Initiative, welche die Stärkung der ukrainischen Armee mit zusätzlicher Luftverteidigung zum Ziel hatte.
Natürlich beteiligte sich auch Deutschland an der eigenen Initiative und brachte diese im April 2024 mit der Ankündigung ins Rollen, dass man eine dritte Patriot-Feuereinheit an die Ukraine liefern werde!

Wie es der Zufall will, kündigte Verteidigungsminister Boris Pistorius erst vor wenigen Wochen in Brüssel an, dass das Verteidigungsministerium über die Wiederaufnahme der deutschen IAAD-Initiative nachdenkt.
Eben die Initiative, über die man bereits im vergangenen Jahr eine Patriot-Feuereinheit an die Ukraine geliefert hat.
Ich halte es also in Anbetracht dessen für möglich, dass man im Rahmen einer Wiederbelebung der IAAD-Initiative bereits in wenigen Wochen die insgesamt vierte Feuereinheit für die Ukraine ankündigen könnte, deren Lieferung dann etwa im September durchgeführt werden müsste.
Ein Problem bleibt
Nehmen wir an, dass die Lieferungen wie berichtet durchgeführt werden. Mit der Lieferung von zwei weiteren Feuereinheiten, die in diesem Fall in Israel und Deutschland organisiert wurden, verfügt die Ukraine dann über insgesamt zehn Systeme zur Abwehr insbesondere ballistischer Raketen – doch ein zentrales Problem bleibt bestehen.
Auch 10, 20 oder 50 Feuereinheiten bringen der ukrainischen Armee am Ende nichts, wenn sie das Problem mit der Munitionsversorgung nicht gelöst bekommt.
Bereits seit vergangenem Jahr gibt es immer wieder Berichte darüber, dass ein gravierender Mangel an Lenkflugkörpern herrscht und die Luftverteidigungssysteme dadurch auf Sparflamme laufen.
Ohne zusätzliche langfristige Verträge in Milliardenhöhe und zusätzliche Käufe aus bestehenden Beständen der US-Armee läuft die ukrainische Armee also Gefahr, bereits in wenigen Monaten so gut wie ohne Munition dazustehen.
Auch Lieferungen aus Armeebeständen anderer Länder sind wohl kaum eine Option. Deutschland hat bereits einen signifikanten Teil der eigenen Bestände (328 Lenkflugkörper) abgegeben. Erst kürzlich sagte man 30 weitere Lenkflugkörper zu – mehr ist wohl kaum noch möglich.

Auf freiwillige Abgaben aus US-Beständen sollte man wohl nicht hoffen und abseits von geringen Abgaben aus Beständen der niederländischen und spanischen Armee verweigern Länder wie Polen, Schweden oder Griechenland die Abgabe eigener Lenkflugkörper komplett.
Man kann also nur hoffen, dass man sich auf ukrainischer Seite parallel zur Beschaffung von weiteren Feuereinheiten intensiv um langfristige Verträge zur Versorgung der ukrainischen Armee mit Lenkflugkörpern bemüht.
Falls nicht, ist es durchaus möglich, dass die dann insgesamt 10 Luftverteidigungssysteme vom Typ MIM-104 Patriot noch in diesem Jahr Staub ansetzen könnten.
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