Skynex in der Ukraine – Die Geschichte

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Eine Oerlikon Revolver Gun Mk3 montiert auf einem Lkw bei einer Rheinmetall-VorführungBild: Rheinmetall

Mit der in dieser Woche erfolgten Bekanntgabe der neuesten Informationen über die deutsche Militärhilfe für die Ukraine bestätigte die deutsche Regierung endlich die Lieferung des bekannten und berüchtigten Luftverteidigungssystems Skynex.

Aber was ist es genau und warum ist es so berüchtigt? Was hat es mit dem Luftverteidigungssystem Skynex auf sich? Diese und andere Fragen werde ich im Laufe dieses Artikels beantworten.

Skynex — Worum handelt es sich?

Skynex ist ein vollwertiges kanonenbasiertes Luftverteidigungssystem im Wert von über 90 Millionen Euro, das für den Nahbereichsschutz eingesetzt wird. In Bereichen, in denen Luftverteidigungssysteme wie die von den USA oder Deutschland bereitgestellten Patriot-Systeme weniger geeignet sind (sowohl in Bezug auf die Kosten als auch die Effizienz), um ihre Ziele zu bekämpfen, da sie mit Lenkflugkörpern anstelle von Projektilen arbeiten.

Die Bundeswehr hat MANTIS – ein sehr ähnliches System – 2018 in Mali zum Schutz ihres Militärlagers eingesetzt, bevor sie alle Systeme im Rahmen des Ringtausch-Programms an die Slowakei abgegeben hat.

Ein Skynex-Luftverteidigungssystem besteht in der Basiskonfiguration aus dem Führungssystem, das Rheinmetall liebevoll „Oerlikon Skymaster“ nennt, dem Oerlikon X-TAR3D Such- und Erfassungsradar, der Oerlikon Multi Sensor Unit und bis zu vier Oerlikon Revolver Guns Mk3.

Andere Elemente wie der Oerlikon High Energy Laser oder die Oerlikon Skynex SkyKnight Missile Launcher Unit könnten integriert werden, um spezifischen Bedrohungen besser entgegentreten zu können, obwohl nicht bekannt ist, ob dies in der Ukraine der Fall ist.

X-TAR3D
Das taktische Such- und Erfassungsradar Oerlikon X-TAR3D | Bild: Rheinmetall

Für die Ukraine wurden und werden die Elemente des Flugabwehrsystems auf HX-Lkws von Rheinmetall mit automatisiertem Ladesystem montiert, was die Mobilität des Systems insgesamt deutlich erhöht.

Insgesamt kann die Ukraine ein Gebiet von 4×4 Kilometern effektiv gegen Kampfflugzeuge, Hubschrauber, kleine bis große Drohnen, Mörsergranaten und mehr schützen. Die Einsatzszenarien sind daher sehr vielfältig, obwohl ich davon ausgehe, dass Skynex zum Schutz bestimmter Teile von Großstädten wie Kyjiw eingesetzt wird, hauptsächlich gegen Shahed-131- oder Shahed-136-Drohnen.

Die Geschichte von Skynex in der Ukraine

Anfang Dezember 2022 gab Rheinmetall bekannt, zwei Skynex-Luftverteidigungssysteme an einen „internationalen Kunden“ zu liefern. Der Auftrag hat einen Wert von rund 182 Millionen Euro und die Systeme sollen Anfang 2024 ausgeliefert werden.

Auch wenn Rheinmetall die Ukraine nicht explizit als Auftraggeber nannte, hieß es noch am selben Tag in deutschen Regierungskreisen, dass die Systeme für die Ukraine bestimmt seien, wie das Handelsblatt damals berichtete. Die Kosten sollten vollständig von der deutschen Regierung getragen werden.

Eine offizielle Bestätigung von Rheinmetall kam erst Monate später, auch wenn die Gerüchte bestehen blieben und von Rheinmetall selbst angeheizt wurden.

Die Papperger-Interviews

Ende Februar 2023 – fast drei Monate später – gab Rheinmetall-Vorstandschef Papperger der Online-Plattform The Pioneer ein Interview über die „Zeitenwende“, den Krieg in der Ukraine und natürlich über Rheinmetall als Unternehmen.

Der relevante Teil des Interviews von Papperger mit The Pioneer

In diesem Interview sagt Papperger, dass die beiden Luftverteidigungssysteme, die das Bundeskanzleramt in Berlin geschützt haben, derzeit in der Ukraine im Einsatz sind.

Er erwähnt ausdrücklich Skynex-Systeme (Plural) und auch Skyranger, so dass relativ unklar ist, ob er tatsächlich zwei Skynex-Systeme meinte und Skyranger beiläufig erwähnte, oder ob es nur ein Skynex-System in der Ukraine war und auch ein Skyranger an die Ukraine geliefert wurde.

Skyranger 30
Oerlikon Skyranger 30 | Bild: Rheinmetall

Kurz darauf verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien. Skynex ist bereits in der Ukraine!

Ich kann mir vorstellen, dass seine Aussagen sowohl in Deutschland als auch in der Ukraine mit begrenzter Begeisterung aufgenommen wurden. Schließlich gab es – wenn es denn stimmt – Gründe, warum dies bis dahin geheim gehalten wurde.

Interessanterweise wurde auch das Gerücht verbreitet, es handele sich um Testsysteme, die in der Ukraine erprobt werden sollen. Allerdings setzt die Bundeswehr MANTIS (fast identisch zu Skynex) bereits seit 2018 in Mali ein und auch Katar nutzt das Luftverteidigungssystem seit Längerem. Das heißt, es handelt sich keineswegs um Testsysteme. Zumindest wenn es sich um Skynex handelt.

Interessanterweise dementierte er jedoch weniger als einen Monat später Medienberichte, wonach Skynex in der Ukraine bereits im Einsatz sei.

In einem Interview mit der NZZ sprach er von einer Vereinbarung zur Lieferung des stationären Skynex-Systems an die Ukraine bis Ende 2023. Darüber hinaus würden bald weitere mobile Versionen des Typs Skyranger geliefert werden.

Auf die Frage nach dem Interview, das er zuvor dem The Pioneer gegeben hatte, sagte er nur kurz, dass derzeit keines der Skynex-Systeme in der Ukraine im Einsatz sei.

Meiner Meinung nach glaubten jedoch nur sehr wenige Menschen, was er im zweiten Interview über Skynex sagte. Insgesamt klang es eher so, als wollte er einen Rückzieher machen, weil er gerade etwas preisgegeben hatte, was er nicht hätte tun dürfen.

Die Schweizer Theorie

Inzwischen habe ich von mehreren Personen gehört, dass ein Einsatz in der Ukraine gar nicht möglich gewesen wäre, da entweder die Luftverteidigungssysteme oder die Munition – möglicherweise beides – in der Schweiz hergestellt wurden.

Zwar verfügt Rheinmetall in der Schweiz über große Luftverteidigungskapazitäten, doch laut seiner Aussage im Interview mit der NZZ wurden die Systeme in Italien hergestellt, so dass die Schweiz bei einem möglichen Export kein Mitspracherecht hatte.

Dies sagt natürlich nichts über die Herkunft der speziellen AHEAD-Munition aus, aber ich konnte keine offiziellen Verlautbarungen in dieser Hinsicht finden.

Erste Stellungnahme der Ukraine

Am 26. April 2023 teilte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal über Telegram mit, dass er den Rheinmetall-Luftverteidigungsstandort Rheinmetall Italia S.p.A. (mit Sitz in Rom) besucht habe.

Er besichtigte unter anderem das Luftabwehrsystem Skynex und schrieb, dass solche Batterien in der Ukraine bereits im Einsatz seien.

Nach meinen Recherchen war dies die erste offizielle Erklärung und viele Menschen – darunter auch ich – sahen darin eine Bestätigung von Pappergers Aussagen, obwohl die offizielle Bestätigung durch die deutsche Regierung noch ausstand.

Es vergingen Monate, ohne dass Bilder oder Videos von dem System in der Ukraine das Licht der Welt erblickten oder eine weitere Stellungnahme von deutscher oder ukrainischer Seite veröffentlicht wurde – zumindest bis August 2023.

Anfang August wurden auf Telegram Bilder einer von der Ukraine abgeschossenen russischen Drohne veröffentlicht. Anhand der veröffentlichten Bilder könnte man zu dem Schluss kommen, dass AHEAD-Munition verwendet wurde und somit das Skynex-System beteiligt war.

Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass es sich dabei nicht um offizielle Berichte handelt und diese nicht überprüft werden können. Ich habe aber mein Bestes getan und konnte diese Bilder über Google oder Yandex nicht vor Anfang August finden, also scheinen sie zumindest wirklich aus dieser Zeit zu stammen.

Die durchlöcherte Drohne deutet auf den Einsatz von Air-Burst-Munition oder insbesondere AHEAD-Munition hin. Dabei handelt es sich um besonders wirksame und programmierbare 35-mm-Munition für den Einsatz gegen Luftziele.

Jede Runde der AHEAD-Munition enthält 152 Wolfram-Subprojektile, die unmittelbar vor dem Ziel ausgestoßen werden. Man kann es sich ungefähr so vorstellen wie eine Schrotflinte.

Selbst wenn das Geschoss das Ziel nicht direkt treffen würde (wenn keine Air-Burst-Munition verwendet wird), bildet sich vor dem Ziel eine Wolke aus über 150 Wolframgeschossen, so dass es in jedem Fall getroffen wird.

Ein Werbevideo über das Rheinmetall-Flugabwehrsystem Skynex zeigt anschaulich, wie es auf Ziele wirkt.

Das vollständige Promo-Video von Rheinmetall gibt es hier

Auch wenn dies natürlich kein Beweis für den Einsatz von Skynex in der Ukraine war, so war es doch zumindest ein starkes Indiz, das im Zusammenhang mit den vorangegangenen Äußerungen von Papperger und Schmyhal eine gewisse Wirkung hatte, auch wenn ich zugeben muss, dass die Bilder völlig an den großen Akteuren auf X vorbeigingen.

Im Prinzip war die Veröffentlichung (Anfang November 2023) des Oberbefehlshabers der ukrainischen Streitkräfte Walerij Saluschnyj im Economist nach der Erklärung des Premierministers für die meisten Menschen ein neues Lebenszeichen von Skynex.

Darin führte er das Flugabwehrsystem Skynex neben Systemen wie Gepard, Patriot, IRIS-T und NASAMS als geliefert auf. Konkret schrieb er, dass die Zahl der Luftverteidigungssysteme in der Ukraine seit Beginn des Krieges vom Westen massiv aufgestockt worden sei und nannte unter anderem diese Systeme.

Natürlich war Skynex wieder einmal „in aller Munde“. Allerdings gab es weder eine Bestätigung von Rheinmetall oder der deutschen Regierung, noch hatten wir zu diesem Zeitpunkt Fotos oder Videos von dem System im Einsatz in der Ukraine gesehen.

Rheinmetall hat auch auf eine diesbezügliche Anfrage von mir Ende letzten Jahres nicht reagiert.

Ist es da? Es ist da!

Am Donnerstag, dem 4. Januar 2024 war es endlich soweit. Nach mehr als einem Jahr des Wartens bestätigte die deutsche Regierung auf ihrer Website die Lieferung des ersten von zwei Skynex-Systemen an die Ukraine.

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich in letzter Zeit selten so aufgeregt war, ein Update auf meinen Social-Media-Kanälen zu posten. Fühlte sich gut an!

Der ukrainische Präsident Selenskyj bedankte sich natürlich auch direkt auf seinen Social-Media-Kanälen und schrieb:

Das moderne Skynex-System […] wird unseren Himmelsschutzschild stärken und mehr Leben retten. Ich bin Deutschland dankbar, dass es einmal mehr seine Führungsrolle in diesem Bereich unter Beweis gestellt hat.

Selenskyj auf X (übersetzt)

Nach Angaben von Rheinmetall wird in naher Zukunft auch das zweite Skynex-Flugabwehrsystem an die Ukraine geliefert. Die Rede ist von Q1 2024, also bis Ende März 2024.

Bis heute freue ich mich, dass Skynex endlich in der Ukraine angekommen ist – oder zumindest die Lieferung bestätigt wurde – und dass das System dort wahrscheinlich jeden Tag Leben retten wird.

Was mit den bereits gelieferten Systemen geschehen wird, ob sie nach Deutschland zurückgeschickt werden oder ob die Ukraine nun theoretisch (wenn die Lieferung wirklich stattgefunden hat) drei Skynex-Systeme im Einsatz hat, ist unbekannt und wird nach meiner Einschätzung nicht vor Ende des Krieges in der Ukraine bekannt werden.


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