Der Wechsel von alter sowjetischer Ausrüstung zu moderner westlicher Ausrüstung soll sich für die Soldaten anfühlen wie der Wechsel von einem rostigen Lada zu einem Mercedes-Benz mit Neuwagengeruch. Genau so ist es mit dem deutschen Kampfpanzer „Leopard“.
Eine Koalition aus sieben verschiedenen Ländern lieferte die deutsche Raubkatze an die Ukraine. Mit einer dänisch-niederländischen Lieferung von 14 Leopard 2A4 wird die Zahl der Länder bald auf 9 steigen. Nach Angaben des journalistischen Investigativprojekts Oryxspioenkop, Kanada, Deutschland, Norwegen, Polen, Portugal, Spanien und Schweden lieferten insgesamt 71 dieser Kampfpanzer, bestehend aus 21 Leopard 2A6, 10 Strv 122 alias Leopard 2A5 und 40 Leopard 2A4.
Aber auch der beste Panzer kann zerstört und muss gelegentlich repariert werden. Angesichts dessen arbeiten Deutschland und Polen seit Monaten an einem Wartungszentrum für die ausgelieferten Leopard-Kampfpanzer.
Ende April unterzeichneten der deutsche und der polnische Verteidigungsminister eine Absichtserklärung.
Der Plan sah vor, die Panzer an zwei verschiedenen Standorten (Gliwice und Posen) in Polen durch den polnischen Waffenhersteller PGZ in Zusammenarbeit mit der deutschen Rüstungsindustrie instand setzen zu lassen.
Während die polnische Seite die Verantwortung für die Infrastruktur und einen großen Teil der Arbeiten übernehmen sollte, hätte die deutsche Seite den größten Teil der Kosten getragen. Diese belaufen sich nach Angaben des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius auf rund 150 Millionen Euro pro Jahr.

Der Grund, warum dies in Polen geschehen sollte, liegt auf der Hand. Zum einen liegt Polen direkt an der ukrainischen Grenze, so dass die Panzer schnell repariert und zurückgebracht werden können, und zum anderen ist die Infrastruktur für das Projekt in Polen bereits vorhanden.
Welche Probleme gab es?
Doch die Gespräche zogen sich über viele Monate hin – ohne Erfolg. Aus deutschen Industriekreisen heißt es, dass PGZ astronomische Preisvorstellungen hatte und keine Garantie für mögliche Schäden bei Reparaturen übernehmen wollte.
Quellen sagten der deutschen Zeitung Der Spiegel, dass PGZ mehr als 100.000 Euro für die Erstinspektion (Schadensdiagnose) verlangen wollte. In Deutschland kostet eine solche Dienstleistung normalerweise nur etwa 12.000 Euro und damit nur einen Bruchteil des polnischen Preises.
PGZ wollte auch keine Garantie für mögliche Schäden bei der Reparatur übernehmen, was sehr ungewöhnlich sein soll. Aber war das alles? Auch ein politischer Grund könnte eine Rolle gespielt haben.
Die Beziehungen zwischen der polnischen und der deutschen Regierung sind, gelinde gesagt, angespannt, auch wenn man zumindest auf deutscher Seite versucht, nach außen hin etwas anderes zu zeigen. Das fängt bei den Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg an, geht weiter mit dem gescheiterten Ringtausch, der von Polen abgesagt wurde, und endet jetzt mit dem gescheiterten Leopard-Instandsetzungszentrum.

Nur einen Tag nach der Meldung war der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius in Polen, um seinen polnischen Amtskollegen Mariusz Błaszczak zu besuchen. Sie gaben eine gemeinsame Erklärung ab und bestätigten die Probleme bei den Verhandlungen, ohne jedoch Gründe zu nennen. Später besuchten beide die deutschen Soldaten und die Patriot-Systeme, die Deutschland zum Schutz des polnischen Luftraums an der ukrainischen Grenze stationiert hat.
Pistorius zeigte sich zuversichtlich, dass die Verhandlungsführer der Branche die Probleme innerhalb der nächsten 10 Tage lösen würden. Es handelt sich dabei im Grunde um ein Ultimatum.
Genau dieses Ultimatum ist abgelaufen. Die Zeitung Handelsblatt berichtete am letzten Tag des NATO-Gipfels in Vilnius, dass die deutsche Regierung aus dem Vorhaben aussteigt, weil keine Fortschritte erzielt wurden.
Nach Angaben eines Sprechers des deutschen Verteidigungsministeriums werden die Reparaturen an den von Deutschland und Portugal gelieferten Leopard 2A6 und den von Schweden gelieferten Strv 122 entweder in Deutschland oder in Litauen durchgeführt.
Er sagte, dass die Instandsetzung und Reparaturen sofort beginnen könnten. Voraussetzung dafür ist, dass die Ukraine den Reparaturbedarf anmeldet. Je nach Umfang der Arbeiten würde die Industrie dann entscheiden, ob diese in Deutschland oder in Litauen stattfinden würden.
Interessanterweise haben in Litauen seit dieser Ankündigung jedoch keine Arbeiten am Strv 122 oder Leopard 2A6 stattgefunden. Das litauische Verteidigungsministerium kündigte während des letzten Ramstein-Treffens auf X an, dass die Arbeiten an den Leopard-Panzern im September beginnen könnten. Somit fanden dort bisher keine Arbeiten statt.

Das bedeutet entweder, dass keine Arbeiten notwendig waren, wovon ich angesichts der laufenden Gegenoffensive nicht ausgehe, oder dass alle Arbeiten entweder in Deutschland oder sogar in der Ukraine durchgeführt werden konnten. Aber nun zurück zum Leopard 2A4.
Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Lösung für die Leopard 2A4, obwohl die Gespräche mit der polnischen Seite noch liefen. PGZ hatte zuvor mitgeteilt, dass ein wesentlicher Streitpunkt auf polnischer Seite darin bestand, dass die deutschen Rüstungsunternehmen PGZ nicht ausreichend mit Ersatzteilen versorgten.
Nachdem der polnische Waffenhersteller auf X betont hatte, dass er nach wie vor bereit ist, Leopard-Kampfpanzer anzunehmen, zu reparieren und wieder kampffähig zu machen, beweist er nun, dass es ihm ernst ist.
Am frühen Abend des 22. Juli postete der polnische Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak ein Bild auf X, in dem er ankündigte, dass das Instandsetzungszentrum in Gliwice seine Arbeit aufgenommen habe und dass zwei beschädigte Leopard 2A4 bereits eingetroffen seien.

Die PGZ hat den Tweet des polnischen Ministers retweetet und damit einmal mehr unterstrichen, dass das Unternehmen sein Wort hält. Das ist in der Tat eine gute Nachricht. Einen Tag später bestätigte das deutsche Verteidigungsministerium auf der Regierungspressekonferenz, dass die deutsche und die polnische Industrie eine Einigung erzielt haben.
Beide hätten sich darauf geeinigt, sich gegenseitig zu unterstützen, auch in dem von der PGZ erwähnten entscheidenden Punkt „Ersatzteile“. Was das genau bedeutet, und was sicher alle am meisten interessiert, nämlich welche Kosten die deutsche Industrie nun in Polen übernimmt, wurde nicht erläutert.
Was man sagen kann, ist, dass Deutschland höchstwahrscheinlich alle Kosten für die Panzer tragen wird, die es selbst repariert und wartet. Alle Kosten für die Leopard 2A4 wären jedoch höchstwahrscheinlich zu hoch für Polen, sodass man davon ausgehen kann, dass Deutschland (und möglicherweise andere Länder, die Leopard 2A4 geliefert haben) Polen finanziell unterstützen werden.
Allerdings kann nun offiziell gesagt werden, dass die Leopard 2A4 sowie die Strv 122 und Leopard 2A6 sofort gewartet und repariert werden können. Entweder in Polen, in Deutschland oder in Litauen.
Warum Litauen?
Die Bundeswehr ist seit Langem in Litauen stationiert. Daher dürfte die dortige Industrie bereits über weitreichende Kapazitäten verfügen. Außerdem werden die an die Ukraine gelieferten PzH 2000 dort problemlos instand gesetzt.
Ende gut, alles gut?
Es ist zwar sehr erfreulich, dass nun – im Sinne der Unterstützung der Ukraine – eine Lösung für die Reparatur der deutschen Panzer gefunden wurde, aber von einer Ideallösung kann man hier noch lange nicht sprechen.
Einerseits hätte sich die deutsche Industrie sicherlich gewünscht, weniger arbeitsintensiv an den Reparaturarbeiten beteiligt zu werden, andererseits kann man davon ausgehen, dass die Polen am Ende Kompromisse eingehen mussten, die sie eigentlich nicht eingehen wollten (ob das nun gerecht ist oder nicht).
Es bleibt die Frage, ob nun alles so reibungslos funktionieren wird, wie man sich das vorstellt. Für die Ukraine wäre dies auf jeden Fall mehr als wünschenswert.
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Änderungen
- 14. Juli 2023 — Eine Erklärung des deutschen Verteidigungsministeriums sowie eine Erklärung des polnischen Waffenherstellers PGZ wurden hinzugefügt
- 22. Juli 2023 — Mehrere Absätze mit neuen Informationen über Leopard 2A4, die jetzt in Polen repariert werden, dank eines Tweets des polnischen Verteidigungsministers hinzugefügt
- 24. Juli 2023 — Zusätzliche Informationen aus der letzten Regierungspressekonferenz hinzugefügt
- 20. September 2023 — Zwei Absätze über die Erklärung des litauischen Verteidigungsministeriums, dass die Arbeiten an den Leopard-Panzern in Litauen noch in diesem Monat beginnen können, hinzugefügt